Elsbeere Etzelsee

Elsbeeren: Beeindruckender Drehwuchs

Elsbeere Etzelsee

Drehwuchs ist ein bei bestimmten Baumarten häufig auftretendes Phänomen. In besonders schöner Ausprägung kann man es an einer kleinen Elsbeeren-Population am sog. Etzelsee in der Gemarkung Wachbach (Bad Mergentheim) bewundern.

Von Drehwuchs spricht man, wenn die Orientierung der (länglichen) Holzfasern so deutlich von der Stammachse abweicht, dass eine schraubenartige Verwindung des Holzes resultiert. Hierbei unterscheidet man den Linksdrehwuchs (Faserverlauf am stehenden Stamm von rechts unten nach links oben) vom Rechtsdrehwuchs (Faserverlauf genau gegenläufig). Auch ein Wechsel der Drehrichtung kann vorkommen.

Das Auftreten des Drehwuchses ist größtenteils genetisch bedingt. Nach Teissier du Cros et al. [1] liegt die Heritabilität, also die Vererbungswahrscheinlichkeit für Rotbuchen bei etwa 70 %, Geburek [2] nennt einen Erblichkeitsgrad von 60 %. Vererbt werden dabei sowohl Stärke als auch Drehsinn der Verwindung.

In geringerem Ausmaß spielen auch Standorteinflüsse eine Rolle: Insbesondere Bäume mit asymmetrisch gewachsener Krone oder einseitig geschädigten Wurzelbereichen neigen bei anhaltend starken Winden zur Verdrehung [3]. Daneben tritt Drehwuchs vermehrt an Hanglagen auf. Interessanterweise hat Richter [4] nachgewiesen, dass zwar die Häufigkeit von Drehwuchs mit der Stärke der Hangneigung korreliert, der Drehsinn allerdings nicht davon beeinflusst wird. Offenbar überwiegt auch hier die genetische Komponente.

In der Tat bringt der Drehwuchs dem Baum in exponierten Lagen einen gewissen Selektionsvorteil, da durch die Verdrehung die Stabilität des Stammes deutlich erhöht wird. (Bläst der Wind allerdings entgegen des Drehsinns, ist drehwüchsiges Holz wiederum bruchanfälliger). Diskutiert wird zudem, dass drehwüchsige Bäume resistenter gegenüber Trockenheit sein sollen, weil die Krone gleichmäßiger mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden kann. Letzteres mag mir allerdings überhaupt nicht einleuchten (Stichwort: Hydrostatisches Paradoxon).

In der Holzverarbeitung gilt starker Drehwuchs als Holzfehler. Drehwüchsiges Holz ist nicht nur schwer zu verarbeiten, sondern auch kaum verwertbar. Es hat eine schlechte Spaltbarkeit, ist schwierig in der Oberflächenbearbeitung, zeigt eine geringere Festigkeit und verzieht sich bei der Trocknung.

Prinzipiell findet man Drehwuchs häufig bei Obstbäumen (Birne, Elsbeere), Buche und Hainbuche, Ross- und Edelkastanie, Ahorn, Kiefer, Lärche und Fichte. Während Buchen sowohl links- als auch rechtsdrehwüchsig vorkommen, sind Esskastanien immer links gedreht. Fichten drehen in der Jugend links herum, um mit zunehmendem Alter zur Rechtswindung überzugehen. Wechseldrehwuchs mit einem regelmäßig auftretenden Wechsel zwischen Links- und Rechtsdrehung findet man bei tropischen und subtropischen Hölzern. Bei Birken hingegen kommt Drehwuchs nur sehr selten vor.

Elsbeeren zeigen, wie gesagt, sehr häufig Drehwuchs. 2013 wurde bei einer Untersuchung von 103 Elsbeeren im Wiesenwienerwald [5] an knapp 46 % Exemplaren Linksdrehwuchs nachgewiesen, während sich Rechtsdrehwuchs überhaupt nicht fand. Auch die hier abgebildeten Elsbeeren vom Etzelsee zeigen alle einen deutlichen Linksdrehwuchs. Es ist anzunehmen, dass sie aus einem Genpool stammen.


 
Wer sich für Naturwissenschaften interessiert, ignoriert am besten vor Ort die Hinweisschilder auf mystische Kraftfelder und/oder liest in diesem Artikel auf maennig.de weiter.

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Literatur

[1] Teissier du Cros, E., Klienschmit, J., Azoeuf, P., Hoslin, R.: Spiral grain in beech, variability and heridity. Silvae Genetica, vol. 29, n° 1, 1980

[2] Geburek, T.: Die Weitergabe genetischer Information – eine wichtige Komponente bei der Waldverjüngung. BFW-Praxisinformation Nr. 4, 2004

[3] Mattheck, C. und Kubler, H. Wood – The internal optimization of trees, Springer Verlag, 1995

[4] Richter, J.: In wie weit sind Kronenform und Schaftqualität bei der Rotbuche genetisch bedingt? Forst und Holz 54, 460-462, 1999

[5] Gsenger, A.: Die Elsbeere (Sorbus torminalis) im Wiesenwienerwald, Masterarbeit Universität für Bodenkultur Wien, 2013