Aus meiner Sammlung: Schriftgranit
Woher Schriftgranit (manchmal auch: Runengranit) seinen Namen hat, ist offensichtlich: Der stängelig in einer Grundmasse aus Feldspat orientierte Quarz erinnert schnell an Schriftzeichen.
Die Entstehung des Gesteins jedoch ist komplex und nicht wirklich bis ins letzte Detail geklärt.
Im Matthes, dem bekannten Lehrbuch der Mineralogie, liest man zum Thema: “Dieses Gefüge wird von vielen Forschern als eutektisches Kristallisat aus einer Restschmelze von Quarz-Feldspat-Zusammensetzung angesehen”. Was bedeutet dies also?
Wer kürzlich meinen Artikel über Pleystein gelesen hat, wurde auf dieser Website bereits mit Pegmatiten konfrontiert und hat damit schon eine erste knappe Einführung ins Thema gefunden, denn auch der Schriftgranit ist den Pegmatiten zuzuordnen. Aufgrund seiner Besonderheiten sollen hier nun aber etwas detailliertere Erläuterungen folgen:
Erstarrt Magma im Erdinnern zu Gestein, so scheiden sich die Minerale stets in einer bestimmten Reihenfolge ab – in Abhängigkeit davon, welche individuellen Bedingungen für ihre Kristallisation nötig sind. Natürlich bestimmt dabei die Ausgangszusammensetzung des Magmas maßgeblich, welche Minerale prinzipiell gebildet werden können.
Schriftgranit kristallisiert in einer späten Abscheidung (Pegmatit!) aus einer granitischen Schmelze, besteht aber im Gegensatz zum echten Granit (“Feldspat, Quarz und Glimmer, die vergess ich nimmer”) lediglich aus 2 Komponenten, nämlich den beiden Mineralen Feldspat und Quarz.
Üblicherweise scheidet sich Quarz sehr viel später ab als Feldspat, füllt also in aller Regel nur die “Zwickel” zwischen den anderen Mineralen. Entsprechend ist auch seine Kristallstruktur normalerweise nicht voll ausgebildet. Im Schriftgranit jedoch durchdringt er als Einkristall den ebenso perfekt kristallisierten Feldspat. Letzterer liegt außerdem als Mikroklin vor – der Feldspat-Modifikation mit der höchsten Kristallordnung.
Solch eine Konstellation kann nur zustande kommen, wenn ausnahmsweise beide Minerale gleichzeitig gebildet wurden. Hier kommt nun das o. g. eutektische Kristallisat ins Spiel, denn nur, falls die Schmelze am sogenannten eutektischen Punkt kristallisiert, ist ein derartiges Zusammenspiel möglich.
Die Zusammenhänge verdeutlicht folgendes Phasendiagramm:
Stellvertretend für Quarz und Feldspat stehen die beiden Stoffe A und B, die in einer Zusammensetzung Z1 in der noch glutheißen Schmelze vorliegen. Kühlt diese ab (senkrechte gestrichelte Linie), so kristallisieren ab Erreichen des sogenannten Liquidus (grüne Linie) die ersten Kristalle des Stoffs A. Lägen beide Stoffe getrennt vor, so hätten sie die zugehörigen Schmelzpunkte TA und TB. Wie man sieht, liegt TB deutlich oberhalb von TA, was bedeutet, dass Stoff B beim Abkühlen eigentlich zuerst kristallisieren müsste. Das Zusammenwirken mehrerer Stoffe beeinflusst jedoch das Schmelz- bzw. Kristallisationsverhalten, das hier im Gemisch der grünen Linie folgt. Beim Sinken der Temperatur fällt also vorerst nur Stoff A aus (schräg verlaufende blaue Linie) und die Schmelze verarmt an Stoff A, während sie relativ dazu mit Stoff B angereichert wird. Bei Erreichen der eutektischen Temperatur TE (roter Punkt) ändern sich die Bedingungen schlagartig. Die Minerale kristallisieren nun gleichzeitig in einem festen Verhältnis (ZE) aus und bilden üblicherweise eine typische Textur. Exakt dies ist beim Schriftgranit perfekt der Fall.
Der eutektische Punkt ist also die Temperatur, bei der sich beide Phasen und die Schmelze in einem stabilen Gleichgewicht befinden und repräsentiert den niedrigsten Schmelzpunkt aller möglichen Mischungsverhältnisse der Bestandteile. Bei Unterschreiten erstarren die Komponenten gleichzeitig in nicht mehr wechselnder Zusammensetzung. Beim Schriftgranit beträgt dieses Verhältnis für Feldspat zu Quarz etwa 70 zu 30.
Literatur
- Siegfried Matthes: Mineralogie, Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York, 5. Auflage 1996
- www.scilogs.de
- eigene Mitschriften, LMU München
Das obige Diagramm wurde erstellt mit EazyDraw; stark abgewandelt nach einer Darstellung in Werner Lieber: Mineralogie in Stichworten, Verlag Ferdinand Hirt, Kiel