Pilobolus, der Pillenwerfer
Den wundersamen Dungpilz, der sich ab und an auf dem Kot von Pflanzenfressern ansiedelt, habe ich kürzlich auf den Pferdeäpfeln meiner Ponys entdecken können: Was aus der Ferne betrachtet lediglich wie ein unscheinbarer, gräulicher Belag aussieht, offenbart bei näherer Betrachtung überaus interessante und hübsche Strukturen: Die glasig-transparenten, bis zu einem Zentimeter langen Sporangiophore des Pilzes tragen an ihrer Spitze tiefschwarze Sporangien, also die der Vermehrung dienenden Sporen. Da sich der kleine Pilz stets dem Licht entgegenstreckt, stehen die Einzelindividuen der Kolonie wie die Zinnsoldaten ordentlich in Reih und Glied. Sind die Sporen reif, so werden sie bis zu 2 Meter weit in Richtung des Sonnenlichts geschleudert. Der deutsche Name Pillenwerfer (auch Hutwerferpilz), ist natürlich auf diese Besonderheit zurückzuführen. Dabei hat der kleine Pilz sogar einen Rekord inne: Wie Yafetto et al. [1] im Jahr 2008 herausgefunden haben, handelt es sich hierbei um die schnellste (bisher bekannte) Bewegung in der belebten Natur: Bis zu 90 km/h beträgt die Geschwindigkeit, die die kleinen Geschosse erreichen.
Oft genug entdecke ich interessante Fotomotive ja leider zu denkbar ungünstigen Zeitpunkten und so leider auch diesmal: Zwar befand sich die Pilzkolonie äußerst praktisch in der eigenen Mistlege, dummerweise fiel sie mir aber erst auf, als der Mist abtransportiert werden sollte. Auf die Schnelle konnte ich also nur ein paar Fotos schießen – und habe dabei den Gedanken, andere Menschen könnten unter Umständen irritiert sein, wenn man quasi noch Abschiedsfotos von den Pferdeäpfeln macht, ganz schnell zur Seite geschoben.
Der Versuch, “meine” Pilobolusse umzusiedeln und unter besseren Bedingungen spöter erneut zu fotografieren, ist leider gescheitert. Die Pilze sind nach der Prozedur im Sonnenlicht innerhalb kürzester Zeit in sich zusammengefallen. Hier das einzige Foto, das ich noch schießen konnte: Schon deutlich kann man die “Unordung” erkennen, die sich eingestellt hat – kurz darauf war von den Pilzen nur noch ein trauriges Häuflein übrig. In der Zeit, in der sie sich im Transportbehälter befanden, haben sie aber noch eifrig ihre Sporen an die Wand des kleinen Plastikgefäßes geschleudert, wie man auf dem letzten Bild sehen kann:
Update
Sehr zu meiner Freude haben sich kurze Zeit später erneut Kolonien der Pilze auf unserem Mist angesiedelt. Diesmal ist es mir gelungen, sie unter dem Auflicht-Mikroskop beim Abwurf ihrer Soren zu filmen. Das folgende Video zeigt unter anderem im Zeitraffer die Aktivität der kleinen Pilze:
Musik: “The Show Must Be Go” Kevin MacLeod (incompetech.com)
Licensed under Creative Commons: By Attribution 3.0 License
http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
Falls Ihr Browser das hier eingebettete Video nicht anzeigen kann, können Sie es auch auf meinem YouTube-Kanal ansehen.
Taxonomie
Gattung: Zygomycota (Jochpilze)
Klasse: Zygomycetes
Ordnung: Mucorales
Familie: Pilobolaceae
Links
[1] Levi Yafetto et al.: The Fastest Flights in Nature: High-Speed Spore Discharge Mechanisms among Fungi, PLoS ONE, 2008
[2] Dieser Film auf YouTube zeigt ab Minute 1:42 schön die Entwicklung des Pilzes
[3] Wikipedia (englisch): Pilobolaceae
[4] Wikipedia: Jochpilze